von Esther Vilar
Regie: Renate Pröbstl
OVB vom 13. März 2007, von Margrit Jacobi
Die Menschen brauchen Gebote

Esther Vilar ist seit den 70er Jahren eine umstrittene Figur des Antifeminismus. 1971 gelang ihr mit ihrem Buch „Der dressierte Mann“ der Durchbruch als Schriftstellerin. 1982 schrieb sie das Theaterstück „Die Antrittsrede der amerikanischen Päpstin“.
In der Bearbeitung von Renate Pröbstl und Renate M. Mayer gelangte jetzt „Die amerikanische Päpstin“ unter der Regie von Renate Pröbstl im TAM OST auf der Bühne des Theaters am Markt mit Renate R. Mayer als Protagonistin zur Aufführung. Reiner Schmähling weist in der Rolle eines TV-Regisseurs auf die Aufzeichnung der Antrittsrede der eben gewählten Päpstin hin, das Theaterpublikum wird entsprechend auch als Publikum im Senderaum fungieren. Ein Kameramann (Sebastian Zollner), der überaus bayrisch sprechen muss, nimmt das Geschehen auf, das ein seitlicher Monitor wiedergibt. Die Hauptperson kommt durch die Zuschauerreihen zur Bühne.
Wenn sich der Vorhang öffnet, wird ein rotgoldener Thron im Hintergrund sichtbar, dazu die aus Holz geschnittenen Silhouetten mehrerer Päpste und ein Kreuz, gefügt zu einem schier abstrakten Gebilde zweier sich kreuzenden Metallleitern. Resolut erwählt sich die neue Vertreterin Gottes einen simplen Metallhocker als Stuhl. Vom ersten Schritt, den ersten Worten an nimmt die Schauspielerin mit absoluter Bühnenpräsenz die Aufmerksamkeit der Zuschauer für sich in Anspruch und behält sie stringent bis zum Ende der Aufführung.
Kritisch und geistreich von der Autorin verfasst, erspürt Renate Mayer jede Nuance der verschiedenen Facetten ihrer Rolle und bringt jegliche Empfindung, jede Aussage zum Tragen. Höchst professionell ist ihre Artikulation, da wird nichts weggenuschelt, auch leise Töne sind verständlich. Wenn sie im langen lilafarbenen Rock mit passend dezent gemustertem Oberteil durchaus zurückhaltend weiblich gekleidet ist, so setzen knallrote Pumps ein aufmüpfiges Ausrufungszeichen.
Kurz erzählt diese Frau von ihrer Herkunft aus den Slums von L.A., ihrem weiteren Werdegang, deckt mit einigen Worten den ärmlichen Jetztzustand der Kirche auf und bedankt sich bei den weltlichen Geldgebern für Ermöglichung der Fernsehübertragung ihrer Amtsantrittsrede. Redegewandt „zerpflückt“ sie die Amtshandlungen ihrer Vorgänger. Je reformwilliger, liberaler, moderner unter ihnen die katholische Kirche wurde, dabei auf Macht, Reichtum, Zeremonien und sogar den Anspruch auf Unfehlbarkeit verzichtete, umso mehr hat sie abgewirtschaftet, Millionen von Gläubigen verloren, dem Islam Aufschwung gegeben.
Im Sprechgesang, auf der Gitarre dazu die Akkorde schlagend, sagt die neue Vertreterin Gottes auf Erden den Männern und Frauen: „Ihr redet von Freiheit, doch mit der Freiheit leben, das wollt ihr nicht!“ Sie geht durch die Reihen der Zuschauer und blickt in ihre Gesichter. „Was gut und böse ist, wer soll uns die Entscheidung abnehmen, unser Gewissen sein, wenn nicht die Kirche? Doch ein Gott, der sogar Kinder unmenschlich leiden lässt, was ist das für ein Gott? Einer, der uns nicht braucht. Die Menschen aber brauchen ihn, sie brauchen seine Befehle, seine Gebote.“
Diese Frau, die am Ende auf dem prächtigen Thron Platz nimmt, in päpstliches Ornat gekleidet wird und sich die Tiara aufsetzt, sie wird den Menschen geben, was sie brauchen: Die Führung einer strengen, sinnstiftenden Kirche. Bis ans Ende ihrer Tage wird sie die Kirche mit ihrer ganzen Kraft aus den Trümmern führen. Sie, die nicht gläubig ist, wird dafür büßen, in dem sie diese Last auf sich nimmt.
Als Zukunftsvision vor 25 Jahren verfasst, schockierte Esther Vilar damals die gläubige Welt. Einiges ist seitdem zwar in Bewegung gekommen, doch was die Autorin anspricht, hat weiterhin Gültigkeit. Und sie weiß: „Der Glaube an ein allmächtiges Wesen vermag unsere schlimmsten Ängste, die vor der Sinnlosigkeit des Lebens, der Endgültigkeit des Todes und die vor der Freiheit zu mildern“.
Renate M. Mayer ist prädestiniert für dieses Einfrauenstück, gibt dieser Figur Autorität, Leidenschaft, Charme und Glaubwürdigkeit. Nicht nur, dass sie souverän den Text einer eineinhalbstündigen Aufführung beherrscht, sie ist mit beeindruckender Selbstverständlichkeit einen Theaterabend lang diese einmalige Johanna II. und ihr gebührte zu Recht der große Applaus des Publikums.
Rosenheimer Nachrichten, 14.03,2007, von Benedikt Dunst
Amerikanische Frau wird Oberhaupt der Kirche
Eine Zukunftsphantasie feierte vergangenen Samstag im TAM OST Première: im Jahr 2030 soll die erste Frau in das höchste Amt der liberalisierten katholischen Kirche erhoben werden.
In einem Fernsehinterview blickt die „amerikanische Päpstin“ zurück in der Entwicklungsgeschichte der Kirche und kündigt überraschend an, alte christliche Werte wieder zu beleben. Im Theaterstück „Die amerikanische Päpstin“ von Esther Vilar werden die Zuschauer von Beginn an Teil des Publikums eines Fernsehinterviews, in dem sich die neugewählte Päpstin vor der offiziellen Amtsübernahme vorstellt. 2030 ist von der Strenge der katholischen Kirche nicht mehr viel übrig geblieben: der Papst regiert nicht mehr auf Lebenszeit, sondern wird auf vier Jahre von allen Gläubigen gewählt, gleichgeschlechtliche Ehen, kirchliche Scheidungen und Abtreibungen sind erlaubt, das Zölibat wurde abgeschafft und die Besitztümer der Kirche auf Massenauktionen versteigert.
Aus den Slums von Los Angeles stammend steht die erste Frau im höchsten Amt der katholischen Kirche einer Kirchengemeinde gegenüber, in der die Beichte abgeschafft wurde und der gekreuzigte Jesus Christus aus psychologischen Gründen einem Rocker mit Dornenkranz weichen musste. Über die Jahre hinweg haben sich die Päpste in Sachen Demut und Bescheidenheit ständig den Rang abgelaufen, den frommen Christen immer mehr Freiheiten eingeräumt.
In ihrem Resümee über die Entwicklung der katholischen Kirche sieht die „amerikanische Päpstin“ darin den Grund für den steigenden Mitgliederschwund: in seiner uneingeschränkten Selbstverantwortung ist der Mensch orientierungslos geworden und sucht deswegen die Autorität von radikalen Parteien und Sekten. Statt zur erlösenden Beichte geht man jetzt zum Psychiater. Ihre Lösung aus der Krise: die Kirche muss zu alten Werten zurückfinden, abgeschaffte Rituale wieder eingeführt werden. Es müssen wieder sinnstiftende Grundsätze bestehen, an denen der Mensch Halt findet und sich orientieren kann.
Das Publikum wird bei dem fast hundertminütigen Monolog der neuen Päpstin nicht außen vor gelassen. Immer wieder spricht sie Zuschauer direkt an, der etwas angespannte Regisseur fragt das Publikum nach seiner Meinung. Auf einem Bildschirm am Rand der Bühne können die Zuschauer das Geschehen in Nahaufnahmen mitverfolgen.
Die Autorin Esthar Vilar will den Menschen mit ihrem Werk vor die Frage stellen, ob er eine Entwicklung der Kirche zulassen oder mittragen will. Diese Absicht einzuhalten, gelingt auch dem Ensemble des TAM OST: als die Zuschauer am Ende den weihrauchgeschwängerten Saal verlassen, könnte sich schon mancher eine Frage stellen: soll die Kirche ihre starren Grundsätze über Bord werfen oder beibehalten oder schlichtweg das Evangelium, dass sie predigt, auch leben?
PREMIERE: Sa 10. März 2007
WEITERE TERMINE
Fr/Sa 16/17 März
So 18 März
Fr/Sa 23/24 März
So 25 März
Fr/Sa 30/31 März
Spielbeginn:
Freitags und Samstags 20 Uhr,
Sonntags 17 Uhr
Einlass:
ca. 15 Min. vor Spielbeginn
Im ENSEMBLE TAM OST
Regie: | Renate Pröbstl |
Bühne: | Ensemble |
Licht/Ton: | Johanna Schumann |
Kostüm: | Ensemble |
Fotografie: | Ensemble |
Plakat: | Ensemble |
Schauspieler | |
Renate M. Mayer | |
Reiner Schmähling | |
Manfred Altmaier | |
Hermann Hiemer | |
Sebastian Zollner |